Kanaren zu Fuß

Der 1. Streich

14. November 2013 - Andre Schumacher
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So langsam bläst der Wind in das Feuer meiner kleinen Kreativschmiede. Erst dachte ich, es wäre der Herbst, aber es sind die Freunde und Helfer. Denn sind wir mal ehrlich: Was kommt schon dabei heraus, wenn man immer nur selbst den Hammer schwingt? Das gleiche Stück Blech.

Deswegen sind die Filmveredeler Christian und Tobias von der Filmhochschule Babelsberg mit dabei. Florian hat in Halle die einzige Kinomischung Mitteldeutschlands für uns angeworfen. Musiker in Hagen, Amsterdam und New York kritzeln Noten auf ausgefranste Blätter. Und dann ist da noch ein Mädel. Sie heißt Renske, und ich traf sie auf El Hierro. Davon, wie all diese Leute das Feuer anheizen, erzähle ich in den nächsten Tagen.

 

Heute nur ein freudiges Ereignis: Die erste Insel ist fertig geworden. Über Nacht ist es passiert, etwa gegen 4 Uhr. Wir nennen sie Fuerteventura.

 

Eine kleine Geschichte zur Einstimmung

Wir sind in Betancuria, 215 Einwohner, von denen drei an der Theke jener Wirtschaft sitzen, die ich gerade betrete.

 

Juan ist der Besitzer des Gasthauses: 60 Jahre alt, kahles Haupt, durchdringende Augen. Ein Charaktergesicht.

 

Maxi ist Ziegenkäser, und er pflegt zu sagen, dass zwei Bier eine Mahlzeit ersetzen, nur, dass er dann noch nichts getrunken habe.


Zwischen beiden sitzt Juanito. Er ist nicht nur Juans direkter Nachbar, er lebt hier auch schon seit 92 Jahren – und deswegen sieht man ihm vieles nach.

 

Da sind etwa die Tage, in denen Juanito ein Dutzend Gläser Rotwein leert und zum Hinunterspülen noch einmal eben so viele Biere. Danach stellt er sich mühsam auf und nestelt in den Hosentaschen. Die Hosen sind alt und bodenlos, und bis er schließlich auf Geld stößt, ziehen noch drei, vielleicht vier Rum ins Land.

 

Endlich! 62 Cents, so viel hat er dabei. Stolzer Brust zählt er sie auf den Tresen: zehn, zwanzig, vierzig, fünfzig, fünfundfünfzig, siebenundfünfzig, neunundfünfzig, sechzig, zweiundsechzig. Das Ganze dauert so lange, ist so aufregend, dass der eigentlich zu zahlende Betrag vollkommen gegenstandslos wird. Also freuen sich alle, als es vollbracht ist, und Juan zieht von dannen.

Es gibt aber auch Nächte, in denen hat Juanito Geld, viel Geld: eine ganze Handvoll Kleingeld, ein knittriger Schein, vielleicht sechs Euro. Er legt sie vor sich aus, plaudert eine Weile, leert das letzte Glas. Dann schaut er zurück zur Theke, findet seine Münzen und freut sich, dass das Geld nicht nur gereicht, sondern es obendrein Wechselgeld gegeben haben muss. Er steckt die sechs Euro wieder ein und geht heim.

 

Diese drei sitzen also an der Bar. Vor jedem ein Glas Tropical, so nennt sich das heimische Bier, und in jedem Glas zwei Gurkenscheiben.


Sie würden die Sache schmackhafter machen, leichter verdaulich, und sie belebten die Libido! Aber das Beste, so beteuern alle: Man könne die ganze Nacht nachschenken und die Gurke verlöre nichts von ihrem Geschmack, ich solle es unbedingt probieren. Kann man so ein Glas ausschlagen?


Nach dem ersten Bier stimme ich ihnen zu: Es gibt eine subtile, fruchtige Note, die sich da zu Hopfen und Malz gesellt. Nach dem dritten höre ich auf mich zu fragen, ob die Alten ihrem Bier nun aus kulinarischen, medizinischen oder aphrodisischen Gründen Gemüse beimischen. Nach dem achten ist klar: Die Gurkenscheiben verlieren nichts von ihrem Geschmack! Und beim zehnten greift Juan zur Gitarre…

Das Gurkenbierkonzert gibt's dann auf der Show zu sehen, Directors Cut.