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Award-Runde 1/2015: Die Jury hat getagt.

03. Dezember 2014 - Julian Weber
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2.782 Einreichungen von 785 Fotografen mussten wir als Jury bewerten - solch eine Menge an Bildern ist ein Knochenjob: Für viele Stunden die Aufmerksamkeit gleichmäßig hoch zu halten ist extrem. Vor allem, wenn es den ganzen Tag über vor dem Fenster dunkel und stürmisch bleibt. Drei Juroren werten jede einzelne Runde des fotoforum Awards, für diese Runde trafen wir uns an einem Novembermorgen in einem Design-Hotel in Münster.

Thomas Robbin ist absoluter Kenner der Architekturfotoszene. Hauptberuflich arbeitet er als Stadtplaner für die Stadt Gelsenkirchen und ist ein wandelndes Lexikon was die bekannten und weniger bekannten architektonischen Bauten im europäischen Raum angeht. Auf der Webseite www.architekturfotoblog.de berichtet er regel­mäßig über neue Trends des Metiers und betreibt zudem noch das Architektur-Bildarchiv.

Martin Timm absolvierte eine klassische Ausbildung im Fotolabor und studierte dann Fotoingenieurwesen in Köln mit dem Schwerpunkt Bildgestaltung. Mittlerweile arbeitet er seit über zwanzig Jahren als freier Fotograf, Fotocoach, Fachbuchautor und Dozent für experimentelle Fotografie im gesamten deutschsprachigen Raum.

Als dritter in der Runde und als Vertreter der Redaktion war ich mit dabei. Als Redakteur stehe ich im täglichen Kontakt mit allen Trends der Fotografie und unterschiedlichsten Bildsprachen verschiedenster Fotografen. Tag für Tag sortieren wir in der Redaktion Bilder, schätzen ein und geben unseren Fotografen und Lesern Feedback.


Eine Jurysitzung ist jedoch auch für Profis immer wieder etwas Besonderes. Um konzentriert und vor allem in einer akzeptablen Geschwindigkeit knapp 3.000 Bilder zu sortieren und in eine Reihenfolge zu bringen, setzen wir auf technische Unterstützung. Statt wie früher jedes Bild als Papierausdruck zu begutachten, werden die Bilder in einer zufälligen Reihenfolge auf einem großen LED-Monitor dargestellt. Wo früher noch die Papierqualität und der Ausdruck eine Rolle spielt, starten alle Bilder jetzt unter den gleichen Darstellungsvoraussetzungen.
In einem ersten Durchgang sortieren wir die Bilder durch. Hat der Fotograf das Thema getroffen? Stimmt die technische Qualität? Jeder Juror sieht dabei das Bild auf einem iPad zusätzlich direkt vor sich und kann es mit „Ja“ oder „Nein“ markieren. Dabei gilt das Mehrheitsprinzip: Wenn ein Bild zwei Ja-Stimmen hat, kommt es weiter, bei zwei Nein-Stimmen fliegt es aus dem Bilder-Pool.

Danach geht es an die Reihenfolge. Alle Bilder mit zwei oder mehr Ja-Stimmen werden nach Punkten sortiert - da wir das ganze Teilnehmerfeld nun kennen, ist es immer noch schwierig, aber dennoch möglich, Bilder mit einer ungefähren Wertigkeit zueinander einzuordnen.
iese Runde dient uns für die abschließende Bilddiskussion als Grundlage. Bis hier her haben wir fast 14 Stunden nur mit der Sortierung der Bilder verbracht und noch einmal gut vier Stunden werden jetzt für die Schlussdiskussion investiert werden.

Draußen stürmt es immer noch und drinnen wenden wir uns nun der eigentlichen, weil energischen und langen, Bilderdiskussion zu. Einzelne Bilder werden auf ihre Qualitäten hin untersucht, jeder Juror wägt das Für und Wider der Aufnahmen gegeneinander ab und in der Diskussion entwickeln wir langsam aber sicher eine einheitliche Jurymeinung. Dass nach neuem fotoforum-Award-Reglement in jeder Kategorie drei Sieger ausgelobt werden und nicht mehr eine Gesamt-Top-Ten, macht die Entscheidungen im Vergleich zu vorherigen Award-Runden schwieriger. Diese Einschränkung führte jedoch in der Diskussion zu klar fokussierten Meinungen und somit am Ende zu einer Auswahl an Bildern, die aus dem Teilnehmerfeld positiv herausragen und auf besondere Art den Facettenreichtum des Themas Architektur widerspiegeln.

Von links nach rechts: Thomas Robbin, Martin Timm, Julian Weber


Die Juryentscheidung wird mit Heft 1/2015 auch online unter www.fotoforum.de/award/ergebnisse veröffentlicht. 


Ein echter Knochenjob. Durchschnittlich nicht einmal 20 Sekunden Beurteilungszeit pro Bild in der ersten Runde (ohne Berücksichtigung von Verteilzeit). Und das 14 Stunden lang.

Da wäre ich als Juror schlichtweg überfordert.

Schöne Grüße

Hans-Martin



Danke für diese interessante Schilderung.
Sie bestärkt mich in meiner Auffassung, dass nicht jedes gute Bild auch gleichzeitig ein gutes Wettbewerbsfoto ist. Der erste Eindruck zählt bei Wettbewerben ungemein viel und bestimmt auch die Biokurve der Juroren (wird ein Bild gleich zu Anfang gezeigt, wenn alle noch frisch sind, oder mittags, wenn alle im Suppenkoma liegen, oder abends, wenn alle eigentlich gar nicht mehr die Augen offenhalten mögen).
Umsomehr meinen Respekt und ein großes Lob an alle, die diesen "Knochenjob" machen, dass immer wieder viele schöne und spannende Bilder von den Juroren (es könnten öfter mal auch Jurorinnen sein) ausgewählt und prämiert werden.
LG Dorothea
Mit dieser Schilderung sind die Jury-Entscheidungen transparenter geworden. Wie wäre es denn mit einer Teilnahme eines Community-Mitglieds? Danke für den Bericht und alle Achtung vor der Arbeit.
Viele Grüße
Dorothea E-B
Sicher ist das Jurieren ein Knochenjob. Aber müssen deshalb die Bilder bei Tageslicht an einem Monitor im Panorma-Format und ohne Abdeckung bewertet werden? Ich kanns nicht glauben.

Grüße
Gertrud
Administrator
@ Dorothea: Wettbewerbsbilder müssen sicherlich ganz eigene Kriterien erfüllen.
Auf die Frauenquote versuchen wir tatsächlich zu achten!

@ Dorothea E-B: Die Idee mit dem Community-Juror kam uns auch schon.

@ Gertrud: Der Raum war abgedunkelt. Nicht sonnenhell aber auch nicht stockdunkel. Für die Fotos haben wir kurz die Rolos aufgemacht.
Wir haben schon so ziemlich alles ausprobiert: stockdunkel, Kerzenschein, kleine Lampe … Als bester Weg hat sich tatsächlich jener mit etwas Tageslicht herausgestellt. Kunstlicht lassen wir möglichst aus.
Gelöschter Benutzer
@Julian: Zitat: "Hat der Fotograf das Thema getroffen? Stimmt die technische Qualität?"
Bedeutet das nun, bei allen Fotos, die die zweite Runde nicht erreicht haben stimmt entweder die technische Qualität nicht oder das Thema ist verfehlt (oder beides)? Das würde ja immerhin 2458 Bilder betreffen.
Schöne Grüße, Alexandra
Anscheinend hat meine Kritik an der Art der Jurierung etwas bewirkt, denn jetzt ist sie viel durchsichtiger. Ich weiß jetzt auch, wie und in welcher Größe die Bilder begutachtet werden und ich hoffe, dass in Zukunft immer wirklich kompetente Juroren eingesetzt werden. Herrn Breutmann besten Dank!
Viele Grüße Manfred