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Das geplante Abenteuer, Teil 3

03. Dezember 2013 - Christian Beck
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Nun sind wir schon ein paar Tage auf der einsamen schottischen Insel Canna und in den ersten beiden Teilen berichtete ich über unsere Erlebnisse. Zuletzt hatten wir die handvoll schottischer Schulkinder mit Geschichten aus Deutschland und Schülerfotos glücklich gemacht.
Unsere Geschichte ist aber noch längst nicht beendet …

The fast Germans
Am Morgen nach unserem Schultag gehen wir zur Schule und zu Geoff, um die Bilder abzugeben. Wir bekommen viel Lob und alle freuen sich, dass wir die Bilder so schnell übergeben.
Danach müssen wir uns wieder beeilen, denn um 15 Uhr wollen wir bei der Post sein, um ein paar schöne Bilder von der kleinen Ein-Frau-Poststation zu machen. Ab 16 Uhr läuft die Fähre ein und wir wissen, dass wir uns auch das nicht entgehen lassen dürfen. Also geht es direkt weiter zum Hafen. Dort sind schon einige Bewohner von Canna versammelt und warten auf ihre Lieferungen. Für uns ist das eine gute Möglichkeit, alle Bewohner in einer spannenden Situation zu fotografieren. Wir machen viele Bilder und genießen, dass sich die Insulaner bereits an uns gewöhnt haben. Diese Vertrautheit erweist sich als ein entscheidender Vorteil, der auf den ungezwungenen Bildern deutlich zu erkennen ist.
Wenn die Fähre anlegt, versammelt sich die ganze Insel am Kai. Es wird geredet, gespielt und gelacht. Die Fähre bringt Nahrungsmittel, die Post aber auch alltägliche Dinge wie Ersatzteile oder Baumittel. Auch wir bestellen uns ein paar Dosen Bier und Kartoffelchips per Fährlieferung.

Am Abend zeigt sich eine interessante Wetterstimmung und ich klettere alleine einen Hügel auf Canna hinauf. Dort mache ich einige Panoramaaufnahmen von der Insel und der Meereslandschaft. Beim Abstieg mache ich an Kates Cottage Halt und werfe einen vorsichtigen Blick hinein. Ich bleibe noch und experimentiere mit der Beleuchtung durch externe Blitze, die ich per Funk mittels fünf Profoto Air Syncs zünde. Es entstehen Fotos mit einer surrealen Lichtstimmung, die dem Ort etwas Magisches verleihen.
Über Kate´s Cottage mit Blick auf die Insel Rum. Es zeichnete sich sogar ein Regenbogen am Horizont ab. Ein brauchbares Foto gelang mir hier dennoch nicht.
Das kleine Kate’s Cottage. Idyllisch liegt es am Berghang mit einem windschiefen Baum davor. Die Solarzellen auf dem Dach sind defekt und die Schafe hatten es sich dort schon bequem gemacht. Wir sind froh, dass wir im Caravan untergekommen sind. Dennoch, ist es fotografisch sehr interessant.
Die kleinen Blitze lassen sich an allen möglichen Stellen positionieren. 

Lämmer und Architektur
Der kommende Tag beginnt wieder mit einem Naturfotospaziergang. Mittags sprechen wir die geschäftige Bäuerin an, ob wir sie fotografisch bei ihrer Arbeit mit den Lämmern begleiten dürfen. Sie freut sich über unser Interesse und nimmt uns mit auf die Wiesen. Knapp eine Stunde verbringen wir mit ihr und es gelingen uns einige schöne Aufnahmen, die unser Fotokapitel „Arbeiten und Leben auf Canna“ ein ganzes Stück weiterbringen.
Canna steckt mitten in der „Lambing Season“, die Wurfzeit der vielen Schafe. Die Bäuerin steht auf unserer Motivliste ganz oben, da sie aber immer sehr beschäftigt ist, gelingt es uns nur einmal kurz, sie auf einem ihrer Kontrollgänge zu begleiten. 

Unser Terminkalender ist voll und so haben wir gegen 14 Uhr einen Fototermin bei John im Guesthouse Tighard. Wir haben ihm vorgeschlagen, sein schönes altes Haus zu fotografieren, auch damit er die Bilder für sich und seine Website nutzen kann. Wir setzen das Thema mit 360°-Innenraum-Panoramen um und leuchten die Räume mit entfesselten Blitzen aus. Um den schönen Ausblick der Zimmer festzuhalten, fertige ich von den Fensterbereichen jeweils Belichtungsreihen an, damit ich sie später für HDR-Bereiche im Panorama nutzen kann. Wir tüfteln rund drei Stunden und erfahren besonders bei der Ausleuchtung mit externen Blitzen, dass Übung hier den Meister macht. Denn das jeweilige Ausmessen und Einstellen benötigt viel Zeit und Geduld.
Das Tighard Guesthouse auf Canna gibt so manches gutes Motiv her und so fotografieren wir es umfassend. Dieses Panorama aus 20 Einzelbildern wurde im Bereich der Fenster mit HDR-Technik erstellt, damit der wunderbare Ausblick auf das Meer deutlich wird.

Am Abgrund
Nachdem wir das Tighard fotografiert hatten, wurde es auch schon langsam Abend. Wir zogen uns in unseren Caravan zurück, gönnten uns einen Teller Knoblauchsuppe und tranken ein paar Schluck Guinnes. Allerdings war der Himmel für schottische Verhältnisse recht klar und in meinem Finger machte sich wieder Auslöserjucken breit. Ich packte meine sieben Sachen und zog alleine die Küste entlang, um Langzeitbelichtungen und Panoramen zu fotografieren. Bald schon fand ich eine nette Stelle an der Steilküste und baute mein Equipment direkt an der Felskante auf, da ich mit dem Weitwinkel beim Panorama auch den Blick in die Tiefe einfangen wollte. Schließlich begann ich mit meinen 360-Grad-Aufnahmen. Die Krux an 360-Grad-Panoramen ist nur, dass man selber natürlich nicht mit auf das Bild möchte und sich somit immer schön mit der Kamera mitdrehen muss. Ich machte also lustig meine Bilder, achtete immer fein drauf, mich hinter der Kamera zu befinden und bemerkte plötzlich, wie mein Fuß ins leere tappte. Ich hatte schlicht vergessen, dass das Stativ direkt an der Kante und war kopflos drumherum gelaufen. In letzter Sekunde bekam ich noch das Stativ zu fassen und konnte mit dessen Gewicht meinen Schwerpunkt wieder Richtung Land und weg vom Abgrund bewegen. Mein ganzer Körper kribbelte und ich musste mich erst einmal setzen. Schuld kann wohl nur das Guinnes gewesen sein …
Bevor es fast den Abgrund hinunterging, machte ich noch schnell ein Foto mit dem Smartphone von der Kulisse. Zwischen Stativbein und Steilküste passt wirklich kein Fotograf mehr … 
Als sich der Schock gelegt hatte, zog ich mich mit meinem Stativ ein paar Meter zurück und machte Panoramen mit dem Schwerpunkt "Land" und weniger mit "Steilküste".

Weiter ging es dann entlang der Küste. Ich wollte zu einer Stelle, die ich zuvor schon entdeckt hatte und die tolle Basaltstein-Formationen zeigte. Auch hier tobte ich mich fotografisch aus und fertigte Langzeitaufnahmen und Panoramen an. Während meiner Panoramen mit Langzeitbelichtungen musste ich feststellen, wie langwierig die Prozedur sein kann. Bei 20 Aufnahmen á 25 Sekunden Belichtungszeit für eine 360°-Drehung vergeht viel Zeit und gerade in der Dämmerphase sieht man einen deutlichen Helligkeitsunterschied zwischen der ersten und der letzten Aufnahme.
Eine traumhafte Kulisse auf dem Weg zum westlich gelegenen, verlassenen Ort Tarbert. Der Fußmarsch bis hierher dauert gut eine gute Stunde und gerne hätte ich hier öfter Bilder gemacht, aber der Weg ist zu weit, um bei schönem Licht „mal eben“ loszulaufen.
Während eines Langzeit-Panoramas merkt man, wie schnell, das Licht sich ändert. Diese beiden Bilder entstammen einem Panorama und es ist deutlich zu sehen, wie sich das Licht während meiner Aufnahmen änderte. 

The German Cow
Für den vorletzten Tag auf Canna haben wir uns wieder eine lange Wanderung vorgenommen. Wir wollen früh nach Tarbert, ein historisches, verlassenes Dorf am westlichen Ende, und planen dafür rund drei Stunden Fußmarsch ein. Aber es soll anders kommen: Auf halbem Weg finden wir ein Rind, das in einem tiefen, matschigen Graben feststeckt und sich nicht mehr selbst befreien kann. Etwas übermütig versuchen Jochen und ich, das Vieh wieder flott zu kriegen, müssen aber schnell feststellen, dass so ein Rind sehr störrisch und vor allem schwer ist. Was also tun? Über eine Stunde Fußweg trennt uns vom Bauernhof und eigentlich wollten wir ja noch weiter nach Tarbert … Wir machen Fotos vom Rind und entscheiden uns für den Rückweg. Als wir am Bauernhof eintreffen, zeigen wir dem Bauern die Situation auf unseren Kameramonitoren und er entscheidet sich für eine Rinderrettungsaktion. Ehe wir es uns versehen, sitzen wir jeder auf einem Quad-Motorrad und fahren zurück zum Rind. Das steckt immer noch im „Schlam-m-assel“ und mit aller (Motor-)Kraft gelingt uns gemeinsam dessen Befreiung. Seitdem gibt es auf Canna eine „German Cow“. Unter den Bewohnern spricht sich die kleine „Heldentat“ in Windeseile herum.
Am letzten Tag finden wir ein feststeckendes Rind im Schlamm. Zuerst versuchen Jochen und ich, es zu befreien, haben aber keine Chance. So wird unser eigentliches Fotovorhaben abgebrochen und wir holen Hilfe. Zu viert, mit Motorkraft und einem Fotografen als Gewicht, gelingt die Befreiung.
 
Abreise
Am Abreisetag regnet es wie bei unserer Ankunft in Strömen. Wir werden von Geoff abgeholt, setzen uns auf die Ladefläche seines Pickups und fahren zum Hafen. Die Nikon D700 habe ich griffbereit, da ich noch bis zur letzten Minute fotografieren möchte. Dabei wird sie komplett dem Regen ausgesetzt und ich nehme den Begriff „spritzwasserfest“ wörtlich. Der Kamera kann der schottische Regen tatsächlich nichts anhaben, aber bei meinem neuen Nikkor AF-S 2,8/24-70 mm löst sich komplett der Gummiring vom Zoomring. 
Am Hafen warten wir auf die Fähre und verabschieden uns schließlich von allen lieb gewonnenen Insulanern. Unsere Heimreise verläuft problemlos - trotz meiner ersten Links-Verkehr-Erfahrungen - und nach 36 Stunden sind wir in Köln.
Jochen und ich auf Canna. Strom für den Rasierer hätten wir ja gehabt, aber in einem abenteuerlichen Urlaub trägt der Mann ausnahmsweise mal Bart.

Ende Teil 3!
Im 4. und endgültig letzten Teil gehe ich auf die Nacharbeit ein und erzähle, wie mir die Canna-Bilder zum Diplom verhalfen.