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Fotografieren auf Reisen: Allgemeine Praxistipps

01. Dezember 2016 - Thorge Berger
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Seit über 35 Jahren bereise und fotografiere ich fremde Länder. Erst kürzlich habe ich anlässlich eines neuen Reisepasses einen Zwischenstand erhoben: Fünf Kontinente und knapp 50 Länder sind es bisher geworden, und immer wieder hat sich auf meinen Reisen dieser eine tolle Satz von John Steinbeck bewahrheitet: „Eine Reise ist wie eine Ehe: Die sicherste Art zu scheitern, ist zu glauben, man habe sie fest im Griff.“ Wenn es allerdings gelingt, eine gewisse Balance aus guter Vorbereitung, Spontanität und Flexibilität zu finden, wird man mit guten Motiven und Fotos belohnt. Einige meiner Erfahrungen und Tipps möchte ich hier im ersten Teil meiner Reisefotografie-Serie mit Ihnen teilen. 
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Viele Fotogelegenheit finden sich schneller, wenn man sich gut vorbereitet, im Vorfeld schon Fotoportale durchstöbert oder im Optimalfall mit einem Fotoguide vor Ort arbeitet. Hier am Taj Mahal sprach ich gezielt einen ­Guide an und bat ihn, mir besondere Perspektiven des Gebäudes zu zeigen. Und in der Tat war er mir überaus behilflich.

Bereiten Sie sich auf die Reise vor
Bevor es losgeht, können Sie bereits eine Menge dafür tun, dass Sie nach Ihrer Reise mit interessanten Fotos nach Hause kommen. Ganz wichtig: Recherchieren Sie! Was gibt es Besonderes? Was gibt es Typisches am Reiseziel? Welche Bilder würden Sie gerne machen und wo könnten sie entstehen? Welche Fotos wurden dort schon gemacht? Was sind gute Motive? Was sind gute Perspektiven? Nutzen Sie für Ihre Recherche nicht nur Reiseführer und Internetblogs, sondern auch die großen Fotoarchive: Flickr, Getty Images, Corbis oder National Geographic. Überlegen Sie gut, wann die beste Reisezeit für Ihre Motive ist. Suchen Sie auch nach Festivals, Paraden, Vorführungen, Events oder Feiertagen. Finden Sie heraus, wann und wo interessante Märkte stattfinden, wie die dort lebenden Menschen dazu stehen, fotografiert zu werden, und was die „Dos and Don‘ts“ im Land sind. Und was ist vielleicht sensibel oder sogar verboten zu fotografieren?
Ich erstelle mir vor einer Reise gerne eine Shot Category List, also eine Liste mit Motiven und Ideen, die mir vor, während und nach einer Reise hilft, strukturiert zu besseren Ergebnissen zu kommen. Ich nutze dazu die Idee des Mindmappings. Das heißt, ich schreibe mein Reiseziel in die Mitte des Blattes und entwickle von hier aus meine Ideen als Äste, die ich bei Bedarf immer weiter verzweigen kann. Das hilft mir vor der Reise bei der Ideensammlung und Reiseplanung. Während der Reise nutze ich sie, um keine wichtigen Motive aus dem Auge zu verlieren. Dazu gehört es beispielsweise auch, an Hinter-den-Kulissen-Bilder zu denken, die Sie brauchen, wenn Sie später eine oder Ihre ganz individuelle Geschichte mit den Fotos erzählen möchten. Nach einer Reise hilft mir meine Shot Category List, mein Bildmaterial besser zu sortieren, zu strukturieren und zu verschlagworten.
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Vor Reisen erstelle ich mir immer sogenannte Mindmaps. Ich benutze dafür die Software von www.mindjet.com. Mir helfen diese Listen enorm dabei, meine Fotos zu strukturieren. Auch während der Reise schaue ich immer wieder auf meine Mindmap. 

Noch ein paar Tipps vor der Reise:
• Prüfen Sie immer Ihr komplettes Fotoequipment vor der Reise.
• Erkunden Sie vorab die zulässigen Maße und das Gewicht für Gepäck und Handgepäck.
• Wenn Sie mit zwei schweren Kameras reisen: Nehmen Sie eine Kamera beim Boarden separat in die Hand, sie wird dann nicht als Extragepäckstück gesehen.
• Buchen Sie – wenn möglich – einen Sitzplatz weit hinten im Flugzeug. Viele Airlines boarden von hinten nach vorne. Wenn Sie sich rechtzeitig anstellen, können Sie so sicherstellen, dass Ihr kostbares Equipment auch wirklich über Ihrem Sitz einen Platz findet.
’• Verschließen Sie nicht nur Ihr Gepäck, sondern auch Ihr Handgepäck mit kleinen Schlössern. Dann können Sie auch bei einem Langstreckenflug in Ruhe die Augen schließen.
• Achten Sie bei der Buchung auf die Nähe Ihrer Unterbringung zu fotografisch interessanten Hot­spots: Besser das Geld in die Herberge investieren, als vor Ort unnötig viel Taxi fahren, weil man nur Geld für das Hotel am Stadtrand ausgeben wollte.
• Wenn möglich, buchen Sie gleich ein Zimmer mit Aussicht, sodass Sie bereits interessante Motive finden, wenn Sie aus dem Fenster sehen. 
• Plane ich eine Reise, frage ich in der Reise­fotografie-Gruppe der fotoforum Community, ob jemand eine Empfehlung hat oder ich recherchiere beispielsweise bei TripAdvisor – einem Online-­Bewertungsportal.
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Nähern Sie sich Motiven, fallen Sie nicht mit der Tür ins Haus, seien Sie dennoch mutig. Gerade diese Detailfotos sind es, die oft mehr erzählen können als Landschaftsaufnahmen oder Totalübersichten.
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Aus der Luft sehen alle Landschaften noch einmal völlig anders aus. Kommt dann noch tolles Licht hinzu, steht einem perfekten Foto nichts mehr im Wege. 

Zusammenarbeit mit Fotoguides
Manche Fotogelegenheit wird überhaupt erst ermöglicht durch die Zusammenarbeit mit einem Guide – also einem Menschen vor Ort. Gerade wenn Sie auf Reisen in relativ knapper Zeit zu guten Ergebnissen kommen möchten, kann das enorm hilfreich sein. Guides kennen sich vor Ort perfekt aus und wissen oft, wo und wann es interessante Fotochancen gibt. Am Taj Mahal hatte ich am Eingang mit einem lokalen Guide gesprochen und deutlich gemacht, dass ich nicht die historischen Details über das Bauwerk lernen möchte, sondern dass er mir bitte die interessanten Stellen für Fotos zeigen soll. Und tatsächlich kannte der Mann einige Perspektiven, die ich alleine vermutlich nicht gefunden hätte. Guides können Situationen besser einschätzen und vereinfachen oft die Interaktion mit Einheimischen. Auch kann ein Guide selbst mal Modell stehen, Ihnen assistieren und auch einmal Fotos von Ihnen machen. 
Nun ist es allerdings auch so, dass gute Guides nicht vom Himmel fallen. Treten Sie in solchen Fällen so oft wie möglich mit Einheimischen in Kontakt. Fragen Sie die Menschen an der Hotel­rezeption, reden Sie mit den Taxifahrern, sprechen Sie die Bedienung im Café oder Restaurant an. Versuchen Sie deutlich zu machen, dass Sie an dem Land, den Leuten und der Kultur interessiert sind. Sie werden verwundert sein, wie offenherzig viele Menschen über ihr Umfeld Auskunft geben, wenn sie merken, dass Ihr Interesse echt ist. 
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Nach rund fünf Stunden Autofahrt ohne Klimaanlage war ich fix und fertig. Zum Glück konnte ich mich dennoch aufraffen, ein Tempelfest zu foto­grafieren. Die reiche Ausbeute war die Anstrengung wert und im Nachhinein hätte ich mich ziemlich geärgert, wenn ich die Zeit am Strand verbracht hätte.
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Da das Wetter nicht mitspielte, benötigte ich für die Klosterfestung mehrere Anläufe.

Die eigene Haltung
Vielleicht noch wichtiger als ein Guide ist Ihre eigene Haltung. Der größte Feind guter Reisefotos ist die Bequemlichkeit. Deshalb fasse ich noch ein paar Tipps für produktives Handeln zusammen:
 
Früh aufstehen! 
Gutes Licht ist eine Chance auf gute Fotos. In der Regel heißt das, schon vor Sonnenaufgang loszulegen. Mittags ist das Licht oft zu hart und man kann die Zeit besser anders nutzen, beispielsweise für die Bildbearbeitung. Fotografisch geht es dann vom Nachmittag bis zur blauen Stunde oder bis in die Nacht hinein weiter.
 
Nicht entmutigen lassen! 
Manchmal spielt das Wetter nicht mit. Lassen Sie sich davon nicht entmutigen. Bei meinem ersten Anlauf, den Dzong, eine buddhistische Klosterfestung in Punakha, Bhutan, zu fotografieren, war das Licht trübe. Es war unmöglich, ein Bild zu bekommen. Auf der Rückfahrt bat ich meinen Guide, noch einmal dort vorbeizufahren. Das Wetter war kaum besser, allerdings riss nach 30 Minuten Wartezeit der Himmel auf und ich bekam mein Bild.
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Für den Mönch in Sri Lanka musste ich eine ganze Reisegruppe stoppen, die mir gerade ins Bild laufen wollte. Zum Glück war ich überhaupt für das Foto ausgestiegen, denn kurz zuvor hatte es noch heftig gegossen.

Chancen nutzen! 
Als ich mit meiner Frau nach fünf Stunden Autofahrt in Varkala in Südindien ankam, war uns eigentlich nur noch danach, eine Dusche zu nehmen, zu essen und den Blick aufs Meer zu genießen. Dann sah ich ein Schild, auf dem stand, dass heute ein Tempelfest mit 60 Elefanten stattfindet, und saß 20 Minuten später in einem Taxi auf dem Weg dorthin. Ich habe bis in die Nacht hinein auf dem Tempelfest fotografiert und wurde für meinen Einsatz reich mit Motiven belohnt. Ich muss allerdings auch zugeben, dass meine Frau ihren Nachmittag ohne Tempelfest ebenfalls sehr genossen hat.
 
Perspektiven ändern! 
Zwar ist es oft kostspielig, aber mitunter weniger, als man denkt: Ich spreche davon, in die Luft zu steigen, um Landschaften und Sehenswürdigkeiten anders als gewöhnlich abzulichten. Ich habe viele Beispiele dafür, wie wunderbar und vielfältig die Motive dadurch werden können. 
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Ich hatte den Buddha in Thailand schon vielfältig fotografiert und begann dann zu experimentieren. Und das kann ich jedem ans Herz legen: Es übt und macht Spaß.

Schnell reagieren und vorausahnen! 
Seien Sie als Fotograf immer bereit, Chancen zu verwerten und wie ein guter Stürmer im Strafraum lauernd das Tor zu machen. Wenn ich unterwegs bin, ist meine Kamera immer einsatzbereit. Selbst, wenn ich im Auto fahre, liegt sie startklar – meist mit Telezoom – neben mir. In solchen Fällen stelle ich oft auf den P-Modus, damit ich blitzschnell reagieren kann. In anderen Fällen gilt es, Bilder vorauszuahnen:  Als ich in Sri Lanka unterwegs war, wollte ich den berühmten Löwenfelsen Sigiriya fotografieren. Es regnete in Strömen und ich kämpfte mit mir, ob ich überhaupt aussteige. Zum Glück raffte ich mich auf und nahm meine Kamera im Regenschutz mit. Als ich bei den steinernen Löwentatzen ankam, sah ich, dass ein junger Mönch im leuchtend orangen Gewand die Treppe herabkam. Ich brauchte nur abzuwarten, bis er an der richtigen Stelle war, um mein Foto zu bekommen. Allerdings musste ich das Foto auch gegen eine Reisegruppe verteidigen, die gerade die Treppe hinaufgehen wollte. Seien Sie in solchen Fällen nett und dankbar und gegebenenfalls belohnen Sie die Wartenden mit einem schönen Gruppenfoto.
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Man sollte immer schussbereit sein – selbst beim Autofahren. Viele gute Motive wie diese Schulkinder im Tuk-Tuk könnte man sonst verpassen. Zur Not sollte man wenigstens sein Smartphone immer griffbereit haben.

Experimentieren Sie
Zuletzt möchte ich Sie noch ermuntern, bei Ihren Reisefotos zu experimentieren. Das linke Bild vom Buddha am Wasser ist so ein Beispiel. In einem Tempel in Thailand war diese Buddha-Statue abends mit Laternen geschmückt. Nachdem ich einige übliche Fotos aufgenommen hatte, zoomte ich während der Belichtung ins Bild. Das ging natürlich nur, weil die Kamera auf einem Stativ stand, sodass der Buddha in der Bildmitte scharf blieb, die Laternen allerdings diesen interessanten Wischeffekt bekamen. 
Ein anderes Beispiel für ein Experiment ist der Bauer mit seiner Tochter und den beiden Ochsen in Myanmar, oben. Das Licht war sehr hart. Daher wählte ich eine niedrige Perspektive und fotografierte mit Blende 16 ins Gegenlicht. Achtet man in solchen Fällen darauf, dass die Sonne nur knapp über den Rand scheint, bekommt man schöne Sonnenstrahlen. So lässt sich auch bei hartem Licht ein interessantes Foto machen.
Thorge Berger fotoforum
Das Licht war grell und hart. Da half es, vor den Tieren auf die Knie zu gehen. Eine weit geschlossene Blende verlieh der Sonne zudem schöne Strahlen.
Sehr interessant mit vielen nützlichen Informationen, schön geschrieben und aus erster Hand. Vielen Dank !
Ach ja, Herr Berger. Sie haben gut reden... Ich fahre selbst nicht Auto, habe keinen Partner mehr und bin auf Gruppenreisen angewiesen. Die Fotoreisen kann ich nicht mehr bezahlen, denn ich werde im Alter immer gesünder und denke/fürchte/ahne, dass ich alt werde und dann ja auch noch ein wenig Geld brauche.
Ich bin 81, und ich glaube, dass mich die Passion "Fotografie" aktiv und gesund erhält. Auf Gruppenreisen gehe ich statt der Stadtführungen oft meine eigenen Wege und suche bestimmte Objekte (z.B. "Elphi" oder das "Chilehaus" in Hamburg), um dort zu fotografieren. Leider nicht mit schwerem Gepäck, deshalb arbeite ich oft mit Brückenkameras. Die schwere Kamera lasse ich daheim...
Oft habe ich aber Glück, totfotografierte Objekte aus anderer Sicht zu sehen oder Landschaften zu finden, von denen ich in diversen Galerien noch nie eine entdeckt habe (Patagonien). Grüsse von Gisela Hoffmann
Sehr schöner, hilfreicher Beitrag. Viele Dinge haben wir auf zahlreichen Reisen schon intuitiv so gemacht wie Du sie hier beschreibst. Aber manches ist neu und ich würde es gerne versuchen. Beispielsweise die Idee des Mindmapping, oder die shot category List. Gerne gehe ich bei den Reisen strukturiert vor und nehme mir vorher viel Zeit zur Vorbereitung (habe u.a. eine Liste mit Sonnenauf- und Sonnenuntergang der Orte meiner Reise).
Bin gespannt auf Deine weiteren Artikel.
VG Horst
Hallo Herr Berger,
Ihren Artikel habe ich mit sehr großem Interesse gelesen und versucht, mir möglichst viele Tipps zu merken.
Ihre Erfahrungen und Ratschläge können ja in jedem Land helfen, Einstellungen zu finden, die zu interessanten Motivdarstellungen führen.
Ganz, ganz herzlichen Dank, dass Sie Ihre Erfahrungen und Tipps so bereitwillig allen fotobegeisterten Menschen zur Verfügung stellen.