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Impulse 2019: David Klammer
Intentionale Gemeinschaften

25. September 2019 - Christian Beck
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Fotojournalismus im Hambacher Forst und Auroville
FOTOJOURNALISMUS. Was führt Menschen in Gemeinschaften zusammen? Was verbindet sie? Was trennt sie? Wie gestalten sie ihr Leben in ihrer Unterschiedlichkeit bei gleichzeitig übereinstimmenden Interessen? Der vielfach ausgezeichnete Fotograf David Klammer hat sich mit diesem Thema anhand zweier Gemeinschaften auseinandergesetzt und berichtet von seinen Erfahrungen aus der Perspektive des Bildjournalisten.

fotoforum: Auroville, eine internationale, kulturell universelle Stadt in Indien einerseits, und der Hambacher Forst in Deutschland, Symbol des Widerstands gegen den Braunkohletagebau, andererseits: Was verbindet diese beiden auf den ersten Blick so unterschiedlichen Themen für dich als Fotografen?

David Klammer: Beide Projekte verbinden utopische, intentionelle Gemeinschaften. An beiden Orten leben die Menschen freiwillig und es besteht der Wunsch, mit gleichen Menschen zusammenzuleben. Teils gibt es sogar so etwas wie Aufnahmerituale. Beide Gemeinschaften schotten sich nicht gezielt ab, dennoch befinden sie sich ein einer Art Blackbox. Alleine, dass sie oft einer Kritik von außen ausgesetzt sind, genügt für diese gewisse Verschlossenheit. Ich finde es spannend, Menschen zu fotografieren, die sich für ein Leben in einer Welt entscheiden, die anders tickt und beispielsweise auf materielle Güter weniger Wert legt. Und eines muss man auch betonen: Auch wenn das Leben in Auroville einfach aussieht, ist es das überhaupt nicht. 
Meine Sympathien sind für beide Projekte gleichermaßen groß, dennoch sehe ich mich nicht als PR-Fotograf für derartige Lebensweisen.
David Klammer - Auroville
David Klammer - Hambacher Forst

fotoforum: Wie baust Du Kontakt zu den Protagonisten auf?

David Klammer: Auroville besuchte ich bereits vor einigen Jahren zweimal. Als die Stadt 50 Jahre wurde, entwickelte sich bei mir die Idee mit einer Story und einem Buch. Da ich bereits Kontakte aus meinen vorherigen Besuchen hatte, gelang mir der Einstieg in das Thema vor Ort schnell. So konnte ich über diese Kontakte den Kontakt zu den Bewohnern aufbauen, was recht einfach ging.
Im Hambacher Forst musste ich viel vor Ort sein, um die Kontakte aufzubauen. Ich zeigte Bilder, erzählte von mir und suchte den Kontakt zu den Besetzern. Besonders wichtig war hier das Vertrauen. Und so gebe ich auch heute keine Fotos an die Presse weiter, auf denen einzelne Personen klar abgebildet sind. Ich möchte nicht die Kontrolle über meine Bilder verlieren. Seit einiger Zeit habe ich auch immer einen Buch-Dummy dabei, den ich zeigen kann, damit die Menschen sehen, was ich mache und was ich vorhabe.
David Klammer - Auroville
David Klammer - Hambacher Forst

fotoforum: Entstehen Arbeiten wie Auroville oder Hambacher Forst als freie Projekte oder handelt es sich um Auftragsarbeiten?

David Klammer: Das sind freie Projekte! Das hat den Vorteil, dass ich frei agieren kann und keine Wünsche möglicher Auftraggeber erfüllen muss. So bin ich mein eigener Herr und kann auch über das Endprodukt selber entscheiden.

fotoforum: Welche Medien nutzt Du, um deine fotojournalistischen Arbeiten zu publizieren?

David Klammer: Ich habe zwei Websites, um meine Projekte differenziert zu präsentieren. Neben meinen freien Projekten arbeite ich auch viel im Auftrag für Kunden und da ist es manchmal sinnvoll, den Blick der Kunden zu lenken. Neben der Fotografie arbeite ich auch mit Videos, beispielsweise bei Interviews. Das macht mir auch Spaß, allerdings ist die Herangehensweise völlig anders. Deshalb kann ich mich oft nur für das eine oder das andere entscheiden. Soziale Medien nutze ich, aber nicht sehr viel. Außer Likes hat mir das aber noch nichts gebracht.
David Klammer - Auroville
David Klammer - Hambacher Forst

fotoforum: Gibt es einen bevorzugten Kameratyp und bestimmte Lieblingsbrennweiten, die Du bei solchen Projekten einsetzt?

David Klammer: Ich arbeite mit dem Fujifilm-System. Unter anderem mit der X-Pro2. Ich mag die Bedienung, die etwa der einer Leica M entspricht, die leisen Arbeitsgeräusche und ihr unscheinbares Auftreten. Mir fällt oft auf, dass Fotografen mit großen und schweren Kameras schnell als eine Art Bedrohung wahrgenommen werden. Das trifft bei mir nicht zu: Ich verstecke mich nicht hinter der Kamera und wirke eher wie ein Hobby- als ein Profifotograf. Das öffnet mir viele Türen. Dann arbeite ich mit einer Drohne und beim Hambi-Projekt setzte ich auch eine Wärmebildkamera ein. Meine Lieblingsbrennweiten sind umgerechnet 24 mm, 35 mm und 50 mm. Bei Porträts kommt auch mal das 85er zum Einsatz. Ich arbeite nur mit Festbrennweiten.
Beim Hambacher Forst gab es noch eine große Herausforderung: Ich musste erst noch das Klettern lernen …

fotoforum: Was haben diese Orte, was Köln nicht hat und was hat Köln, was diese Orte nicht haben? 

David Klammer: Auroville und auch der Hambacher Forst sind Sehnsuchtsorte. An beiden Orten existiert eine Utopie: Man denkt frei und lebt auch leicht anarchisch. Für mich ist Köln aber meine Heimat und in Auroville als auch im Wald muss man auf viele Dinge verzichten. Im Gegenzug bekommt man allerdings eine innige Gemeinschaft. Das vermisse ich schon ab und zu in Köln. Ich möchte aber an beiden Orten nicht länger leben.
David Klammer

Zur Person: David Klammer ist als Referent zu Gast bei den 4. fotoforum Impulsen (18. bis 20. Oktober 2019) in der Katholischen Akademie Stapelfeld in Cloppenburg.

Literaturhinweis: Auroville. Die Utopische Stadt der Morgendämmerung.
Von David Klammer 21 x 26 cm, Hardcover, 192 Seiten, 39,95 € Edition Bildperlen,
ISBN 978-3-946328-38-4
https://bildperlen.de/produkt/auroville/