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Robert Lebeck (1929-2014)

20. Juni 2014 - Maike Hahn
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Robert Lebeck war einer der bedeutendsten Fotojournalisten Deutschlands. 30 Jahre lang fotografierte er für das Wochenmagazin Stern in der ganzen Welt und schuf unzählige fotografische Zeitzeugnisse. Am 14. Juni ist Robert Lebeck im Alter von 85 Jahren in seiner Heimatstadt Berlin verstorben. Wir ziehen unseren Hut vor dem Lebenswerk dieses Ausnahme-Fotografen.
Dia-Collage No. V | © Robert Lebeck, www.lumas.de

Mit Freude erinnern wir uns auch an das Interview, das wir 2012 mit ihm im Rahmen der Eröffnung der LUMAS Galerie Münster führen durften:

Robert Lebeck schüttelt Hände, begrüßt Gäste, gibt Autogramme – rund 400 Besucher sind in die neue LUMAS Galerie nach Münster gekommen. Robert Lebeck wirkt gelassen, beantwortet geduldig Fragen nach seinen Bildern und genießt offensichtlich die Atmosphäre. Für ein Interview ist an diesem Abend wirklich kein Raum. Wir verabreden uns für den nächsten Morgen. Kurz vor zehn kommt Robert Lebeck in die LUMAS Galerie. Er wirkt etwas müde, aber auf andere Weise hellwach. Es ist der Morgen nach der Wahl in Amerika. Seit dieser Nacht steht fest, dass Barack Obama für eine zweite Amtszeit zum Präsidenten gewählt wurde. Robert Lebeck hat das Weltgeschehen im Hotelzimmer live miterlebt: „Ich habe bis drei Uhr morgens im Hotelzimmer vor dem Fernseher ­gesessen und die Wahl verfolgt“, eröffnet ­Lebeck das Gespräch.
fotoforum traf Robert Lebeck 2012 bei der Eröffnung der LUMAS Galerie Münster.

Haben Sie ein geringes Schlafbedürfnis?
Also, ich werde jetzt meist um vier Uhr morgens wach. Aber das ändert sich auch immer wieder. Die Hauptsache ist, dass man Aufträge kriegt. Das ist besser als schlafen.
 
Hat das Einzelbild, das eine Geschichte erzählt, in den Printmedien heute noch eine Chance?
Gerade heute. Ich gucke jede Woche in den Stern, und da sind Doppelseitenfotos, die tragen die ganze Geschichte. Die Journalisten, die dann den Text schreiben müssen, die jammern immer und sagen: „Ach, ich bräuchte mehr Platz!“ Aber mit einem Bild kann ich das nicht abhaken.
 
Das ist ja der alte Kampf zwischen den Textern und den Fotografen …
Ja, aber wenn die miteinander reden, dann schaffen die das auch.
 
Als Fotojournalist waren Sie häufig zur rechten Zeit am rechten Ort. War da mehr Zufall oder eher Gespür für den entscheidenden Augenblick im Spiel?
Ohne Glück geht’s nicht, und ohne Gespür geht’s auch nicht. Man braucht beides. Ich hatte oft unverschämtes Glück.
 
Würden Sie einem jungen Menschen heute empfehlen, Fotojournalist zu werden?
Ich würde ihn fragen, ob es nichts anderes gibt, was ihn interessiert.
 
Sehen Sie den Reporterberuf heute kritisch?
Nein, nicht kritisch. Ich freue mich über jede gute Reportage. Es gibt so viele Schüler und Studenten, die sich für die Fotoreportage interessieren. Die werden es auch heutzutage schaffen, wenn sie genug hinterher sind. Man muss schon Begeisterung haben.
 
Die Begeisterung hat Sie getragen in Ihrem Berufsleben …
Ja, ja. Doch, das ist ganz wichtig.
 
Sie haben selbst Fotografien gesammelt, rund 11.000 Stück, darunter Daguerreo­typien, Fotografien und Alben des 19. Jahrhunderts, vor allem Aufnahmen aus Ägypten, Italien, Japan, China und den USA. Was hat Sie am Sammeln gereizt?
Die Qualität. Maßstab ist immer die Qualität der Bilder. Die Fotos waren ja meistens schon vor 1900 entstanden. Die haben früher viel mehr noch auf Qualität geachtet. Großbildkameras waren selbstverständlich. Da hatte ein Fotograf zehn bis 20 Assistenten. Da hat ein Spezialist immer nur die Flüssigkeiten in Bewegung gehalten, damit die Fliegen sich nicht darin verfangen und die Ameisen nicht auf die Platten kriechen. Unglaubliche Geschichten gab es da. Großartig, was die angestellt haben, um gute Bilder zu bekommen. Die Figuren, die Menschen waren eigentlich fast immer hingestellt. Alte Fotos sind herrlich.
 
Hat das Arrangieren von Situationen und Positionieren von Menschen auch in Ihrer Arbeit eine wichtige Rolle gespielt?
Ich hätte viel mehr arrangieren können, aber ich habe mich immer gefreut, wenn ich nichts dran machen musste. Aber letztendlich kommt es nur auf die Wirkung an. Es kann gut sein, dass ein Foto lebendiger wirkt, wenn ich es inszeniert habe. Es kommt immer auf das Ergebnis an. Das Bild ist das Wichtigste. Heute ist das ja fantas­tisch mit der neuen Technik.
 
Sie zeigen und verkaufen Ihre Bilder in den LUMAS Galerien. Hat das den Blick auf Ihre eigenen Bilder verändert?
Auch hier steht die Qualität im Vordergrund. Ich finde die Qualität der Bilder von Lumas und WhiteWall hervorragend. Ich habe selbst so viele Bilder, so viele könnte ich in meiner Wohnung leider nie aufhängen.
 
Wie definieren Sie Qualität?
Ich war ja jahrzehntelang beim Stern. Der Art Director, Rolf Gillhausen, der war einer der besten Fotoreporter überhaupt. Wenn der das Bild doppelseitig benutzt hat, dann wusste man: Das ist schon was Besonderes. Und wenn unser Chefredakteur auch der Meinung von Rolf Gillhausen war, dann war das Bild doppelt geadelt.
 
Sie haben häufig mit nur zwei Objektiven fotografiert, ohne Blitz, ohne Filter. Hat das Ihren Blick für das Motiv geschärft?
Wenn ich mit zwei Objektiven unterwegs war, dann hab ich überhaupt nicht gearbeitet. Mit zwei Objektiven, das ist wie Urlaub! Damit kommt man ja auch aus. Das macht so viel Spaß! Da flaniert man ja durch die Stadt oder eine Landschaft. So entstehen die besten Bilder. Das sind dann wirklich meine Aufnahmen. Ein Weitwinkel und ein 85er, das reicht. Das 24er ist sehr gut. Aber das ist überhaupt nicht wichtig. Ich kann auch mit einem Objektiv arbeiten, ein 35er würde auch genügen. Da kann man wirklich in Ruhe spazieren gehen.

Wann ist ein Foto Kunst?
Warum immer eine Regel? Ich bin gegen die Regeln. Es genügt schon, dass man ein gutes Foto sieht.
 
Genießen Sie die Fotografie auch ohne den Druck, ein Ergebnis in der Redaktion abliefern zu müssen?
Ein gutes Foto zu sehen, ohne es zu machen, geht auch. Manchmal ärgert es mich, wenn ich keine Kamera dabei hab, denn ich mach gern gute Bilder. Aber ich bin selbst schuld. Ich bin leider schrecklich faul.
 
Hätten Sie die Möglichkeiten der Digitalfotografie gerne schon früher genutzt?
Meine Frau hat mir letztens eine Digital­kamera geschenkt, eine Leica. Damit bin ich im Bus durch Berlin gefahren und hab das ganz gern gehabt. Möglichst viel Unschärfe durch verregnete Busfenster – je mehr es schneite und regnete, umso besser. Dann wurde es schön unscharf. Man muss nicht alles so ernst nehmen.
 
Sie waren über Jahrzehnte in der ganzen Welt unterwegs, ständig auf Reisen, in Hotels, Zügen, Flugzeugen. Können Sie auch die Ruhe genießen?
Aus der Ruhe kommt die Qualität. Das muss sein. Bücher machen ist eine wahre Erholung. Bestimmt zehn Bücher haben meine Frau und ich gemeinsam gemacht. Sie übernimmt dann die Gestaltung. Das macht Spaß, wenn man so dicht zusammenarbeiten kann. Man geht das noch mal alles durch, wie man‘s erlebt hat. Jedes Bild ist irgendwie anders entstanden. Da kommen die Erinnerungen zurück. Das macht sehr viel Freude.
 
Was fotografieren Sie, wenn Sie heute zur Kamera greifen?
Irgendwas. Stillleben. Porträt.
 
Herr Lebeck, vielen Dank für das Gespräch.
 
Das Gespräch mit Robert Lebeck führte Martin Breutmann.
Kosmonautendenkmal, Moskau 1979 | © Robert Lebeck, www.lumas.de

Zur Person:
Robert Lebeck, 1929 in Berlin geboren, entschied sich nach seinem Studium der Völkerkunde für den Beruf des Fotografen. Nachdem er als Reporter für Heidelberger Zeitungen fotografiert hatte, wurde er 1955 Leiter des Redaktionsbüros der Zeitschrift Revue in Frankfurt/Main und kurz darauf Mitarbeiter von Kristall. Schon bald wurde man beim Stern auf den Fotografen aufmerksam und holte ihn in das feste Reporterteam. 
 
1960 nahm Robert Lebeck das Bild eines jungen Afrikaners auf, der bei den Feierlichkeiten zur Unabhängigkeit des Kongo den Degen des belgischen Königs Baudouin stahl. Das Bild erschien im Stern in der Reportage Afrika im Jahre null. Es ging um die Welt und ist als Symbolbild bis heute eng verknüpft mit der Freiheit Afrikas, aber auch mit der Reportagekunst und dem Lebenswerk Robert Lebecks.
 
Nach einem Intermezzo als Chefredakteur der Zeitschrift Geo in den Jahren 1977 und 1978 kehrte Robert Lebeck wieder zum Stern zurück, für den er insgesamt 30 Jahre lang als Fotoreporter in aller Welt unterwegs war.
 
1991 wurde Robert Lebeck von der Deutschen Gesellschaft für Photographie mit dem Dr.-Erich-Salomon-Preis ausgezeichnet. 2007 erhielt er als erster Fotoreporter den Henri-Nannen-Preis für sein Lebenswerk. 
 
Robert Lebeck hat sich auch als Sammler historischer Fotos einen Namen gemacht. Teile dieser Sammlung befinden sich heute im Bestand des Kölner Museums Ludwig.

Die Arbeit von Robert Lebeck ist mit vielen Fotos und Infos sehr ansprechend auf seiner Website dokumentiert.
Synagoge, Berlin 2003 | © Robert Lebeck, www.lumas.de