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Ethik und Theorie

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Zur Funktion der Bildbearbeitung

„Die Fotografie sollte nicht zu einer technischen Übung verkommen.“
Diese Auffassung vertritt der amerikanische Fotograf Bruce Barnbaum in seinem Werk „Die Kunst der Fotografie“ (2017). Ich teile diesen Wunsch, denn mit dem Verlust an Realitätsbezug und Natürlichkeit des Fotos kommt es auch zu einem Verlust seiner ästhetischen und kommunikativen Wirkung. Werden die Grenzen einer behutsamen Bildoptimierung zum Zwecke einer grundsätzlichen Veränderung des Fotos überschritten, begibt man sich in den Bereich einer gesonderten Kategorie der Phantasiebilder, bei denen die Manipulation mehr oder weniger offensichtlich wird, die auch neben der Fotografie ihre absolute Berechtigung zeigen, aber mit der genuinen Kunst des Fotografierens nichts zu tun haben. Solche Manipulationen sind i.d.R. technisch perfekt, interessant und dekorativ, aber dennoch bedeutungslos. Sie sind auch nicht mit abstrakten Fotos gleichzustellen. Solche Phantasiebilder sollten deshalb im Fotoforum auch in einer separaten Rubrik dargestellt werden.
Hartmut Frentz

Antworten

Hallo Hartmut,
ich gebe Dir inhaltlich völlig Recht,das Fotos mit zu viel "Bildoptimierung"zu glattem nichtssagenden Design verkommen können.
Auch der Sager des Fotographen Bruce Barnbaum ist mir ein Hezensanliegen.
Der Teufel steckt wie immer im Detail.Wo sind die GRENZEN einer "behutsamen Bildoptimierung" und WER steckt sie ab.
Ich glaube fast alle hier, "optimieren"mehr oder weniger ihre Fotos.Auch ich,mal ein bißchen mehr, mal etwas weniger.
Ich glaube, Du hast eine nicht leicht zu führende Debatte losgetreten.
LG  Peter
Hallo Peter,
deine Beiträge und auch die Beiträge der anderen Mitglieder des Fotoforums zeigen, dass die zunehmende Bedeutung der Künstlichen Intelligenz (KI) in der Fotografie nach einer klareren Begriffsbestimmung verlangt. Was ist noch genuine Fotografie, was ist KI-gestützte Bildproduktion?
Die Antwort auf den ersten Teil der Frage ist hinlänglich bekannt. Für eine Antwort auf den zweiten Teil bedarf es einer Betrachtung der Rolle und Bedeutung der KI in der Fotografie.
Unbestritten spielt die KI eine Schlüsselrolle bei der weiteren Verbesserung von Kameras aller Art, aber auch bei der Perfektionierung der Bildbearbeitung und der Erleichterung von Bildanalysen. KI-Tools in der Postproduktion können helfen, Bilder zeitsparend und kostengünstig zu optimieren, Unvollkommenheiten zu korrigieren und kreative Effekte einzubringen, ohne dabei den Realitätsbezug des Fotos zu beeinträchtigen. Fotos bleiben damit noch Fotos.
Wird die KI zur teilweisen oder vollständigen Generierung von Bildern eingesetzt, wird die Fotografie verlassen.  Bilder dieser Art haben rein gar nichts mehr mit Fotografie zu tun, sondern sind unter „Grafikdesign“, „Phantasiebilder“ oder bestenfalls „Digitalkunst“ einzuordnen.  Dabei wird es im Laufe der Weiterentwicklung dieser Tools immer schwerer, KI-generierte Bilder von echten Fotos zu unterscheiden. Aber wer hat etwas von solchen Digitalprodukten? Der KI-Nutzende hat keinerlei Bezug zu einem magischen Moment, den der Fotografierende liebt, und der Betrachtende verfängt sich immer mehr in der Frage nach der Echtheit des abgebildeten Momentes, schaltet aber seine narrative Phantasie, seine Gedanken, Gefühle und Erinnerungen bezüglich des Dargestellten gar nicht erst ein. KI selbst hat auch keine Gefühle, ihren Bildern fehlt das Sinnliche, Kognitive und Menschliche. KI-Bilder können keine Geschichten erzählen, Emotionen abbilden, subjektiv bedeutsame Perspektiven einnehmen und Denkprozesse befördern.
Es ist eine Frage der Zeit, wie lange man Bildmanipulationen noch erkennen und erahnen kann. Für das Erkennen und Separieren von KI-Bildern kursieren einige Tipps, wie das Suchen von Unstimmigkeiten in Details, das Einsetzen von Suchmaschinen mit Bilderrückwärtssuche, das Überprüfen von Körperproportionen abgebildeter Personen etc. Die rasante Entwicklung der KI wird dazu führen, dass man keinem Bild mit dem Anspruch, eine Fotografie zu sein, mehr trauen kann. Und da sind wir bei dem von dir, Peter, in die Debatte geworfenen Begriff des Vertrauens, der auch meines Erachtens eine Schlüsselfunktion einnimmt. Der einzige Weg, noch etwas Vertrauen erhalten zu können, besteht in einem Appell an die Grafikdesigner, ihre Produkte als KI-generiert zu kennzeichnen. Redakteure und Galeristen wiederum stehen in der Verantwortung, Fotografie und Grafikdesign in gesonderten Sparten auszuweisen. Ansonsten verkommt die echte, realitätsbezogene Fotografie zu einem Lieferanten für KI-Bildgeneratoren, wenn sie das nicht schon ist.
Nochmal: KI-gesteuerte Prozesse sind von großem technischen Wert als Werkzeug des Fotografierenden, können diesen aber niemals ersetzen. Sie helfen ihm bei seiner Arbeit, dürfen diese aber nicht bestimmen. Fotografierende lieben den kreativen Prozess des Fotografierens, den oft beschwerlichen, aber lustvollen Weg zum gelungenen Foto. Sie wollen ihre Erinnerungen an besondere Momente ihres Lebens visuell konservieren und diese Momente mit anderen teilen. Sie sollten sich ihre Leidenschaft keinesfalls von Manipulatoren zerstören lassen.
Das ist der Sinn von „Fotografie“ und der Unterschied zum „Grafikdesign“. Es lebe deren friedliche Koexistenz!
Gruß Hartmut
Lieber Hartmut,

du schreibst ("sprichst") mir aus der Selle.
Ich stimme dir voll und ganz zu.

VG Otto
Hallo Hartmut,
ich glaube,wir haben hier ein wenig aneinander vorbeigeredet.In Deinem ersten Beitrag, kommt der Begriff KI kein einziges
mal vor.Ich hatte daher den Eindruck,daß es Dir eigentlich nur um eine überbordende Bearbeitung mit Light Room,
Photoshop und Co.gehe.Zu Deinen Ausführungen über KI in der Fotographie kann ich nichts hinzufügen,es ist alles gesagt was
zu sagen ist.Die Idee, alle jene die die KI benützen um Fotos zu "verschönern",in ihrem Sinne inhaltlich zu manipulieren, sollten
verpflichtet werden das zu kennzeichnen,Vertrauen ist,wenn man die Menschen ein bißchen kennt, sicher zu wenig."Vertrauen
ist gut,Kontrolle ist besser".Sagte schon einmal ein ganz berühmter.Da die Arbeitsteilung immer komplizierter, die Globaliesierung
immer weiter und konsequent voranschreitet und alles immer weniger durchschaubar wird,kriegt auch "Die Fotographie"ihr
"genuines" Problem.Wo das alles hinführt, weiß ich nicht.
"Prognosen sind Schwierig,besonders wenn sie die Zukunft betreffen"
LG,  und weiterhin gute Bilder wünscht Dir
Peter
Lieber Hartmut,

Mir erscheint diese Diskussion ein wenig zu kompliziert. 

Wenn man ohne fotografisch erzeugtes Foto als Ausgangsbasis, was fotografisches Sehen und das Erkennen von Gelegenheiten erfordert, ein Bild ausschließlich über Prompts von einer generativen KI-Software erzeugen lässt, ist es auch für mich kein Foto mehr, auch wenn dieses neue Genre für mich volle Berechtigung hat.
 Wenn es aber um die Nachbearbeitung von fotografisch erzeugten Bildern geht, so hat man das auch zu analgogen Zeiten in der Dunkelkammer schon getan oder tun können: Abwedeln, Nachbelichten, Retuschieren, Perspektivenkorrektur, Beschnitt, Montage, Kollage usw., nur war das zu analogen Zeiten relativ aufwendig.

In der Zwischenzeit gab es Fortschritt: heute erfolgt so etwas heute per Software. Und da es dadurch immer einfacher geworden ist, ein Bild zu optimieren und dessen Aussage zu verstärken, wird es auch immer mehr gemacht - kein Grund, das zu verteufeln. 
 Und da in Soft- und Hardware immer mehr KI implementiert wird, ist heutzutage die Nachbearbeitung fotografisch erzeugter Bilder nicht mehr "KI-frei", so ist der Fortschritt. Kein Stempeln (früher Retuschieren), kein Entrauschen (früher feinkörnig entwickeln) läuft in aktuellen Software-Releases mehr ohne KI.
 Auch ich erzeuge meine Bilder fotografisch und mit wenig Nachbearbeitung, weitgehend nur mit Lightroom, und möchte das auch nicht anders tun, weil mir das Fotografieren selbst Freude macht. Dennoch versuche ich, den technischen Fortschritt in der Fotografie mitzubekommen und ggf. auch für meine Fotografie zu nutzen.

 Viele Grüße,Thomas
Hallo Thomas,

danke für deinen Beitrag, der meine volle Zustimmung findet. Auch beim Lesen deines Profiltextes finde ich mich in meiner Ansicht über das Wesen von Fotografie wieder.
Natürlich bearbeite auch ich meine Fotos bis hin zur Abstraktion, entscheidend ist und bleibt für mich der Realitätsbezug und damit auch die Erinnerung an den Moment der Ablichtung mit allen meinen Gefühlen, Stimmungen und Gedanken. Ich unterstreiche deinen Satz im Profil, dass es dich antreibt, "in der realen Wirklichkeit das Besondere zu sehen". Mehr noch, es ist in der Fotografie legitim, dieses Besondere durch - nicht realitätsverändernde - Eingiffe hervorzuheben. Dadurch erhöht man die Chance, auch beim Betrachter eine gewünschte Wirkung zu erzielen.
Geht es aber darum, virtuelle "Realitäten", aus welchem Material auch immer, zu generieren, werden die Grenzen der Fotografie überschritten. Solche Produkte, die nach meinem Geschmack oft die Bandbreite von Lüge, Kitsch bis Horror abdecken, sollten eine eigene Bühne erhalten, egal in welchen Foren, Galerien oder sonstigen Publikationen. Dort können sich die Anhänger des "Grafikdesigns" oder wie immer man diese virtuelle Gestaltungsform bezeichnen möchte, wiederfinden, ohne Gefahr zu laufen, nach der "Echtheit" ihrer Bilder befragt zu werden.
Das wäre auch ein Weg zur notwendigen Vertrauensbildung und Manipulationseindämmung.

Beste Grüße, Hartmut