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Hochzeit und andere Feste

Harald Mundt
„Götter, die durch Feuer gehen ...“


Nah dran, sehr nah. Gerne hätte ich mehr Weitwinkel als die aktuellen 24mm an meiner Kamera. Die Hitze des Feuers ist fast unerträglich, der anhaltende Trommelwirbel macht mich taub. Staub und Rauchschwaden ziehen durch die Luft. Barfuß auf dem heiligen Boden der geweihten Fläche trete ich in verstreut herumliegende Kohlen und brennenden Reisig. Es ist drei Uhr morgens, aber von Müdigkeit keine Spur. Das Theyyam nähert sich seinem Höhepunkt.

Theyyam sind hinduistische Ritualtheater, die im Norden des südindischen Bundesstaates Kerala auf dem Gelände eines kleinen Dorftempels, auf einer dafür hergerichteten Freifläche oder an einem Schrein aufgeführt werden. Durch Kostüme, Make-up, begleitende Trommelmusik und den Gesang heiliger Verse geraten die niedrigkastigen Akteure in einen Zustand der Besessenheit, in welchem sie eine Gottheit verkörpern. Theyyam gehören zur sehr alten Tradition des Bhuta-Kults, bei dem ein besitzergreifender böswilliger Geist hervorgerufen und besänftigt wird, bis er am Ende zu einer beschützenden Macht umgewandelt wird und den Gläubigen seinen Segen erteilt. Den Ritualen liegt das Konzept zugrunde, dass sich eine personifizierte höhere Macht durch entsprechende Vorbereitungen in einem tanzenden Akteur manifestiert und diesen für die Dauer des Rituals in den Status der jeweiligen Gottheit erhebt. Die Transformation in eine Gottheit ist kein alltäglicher Akt. Ein Darsteller, der seine gesellschaftliche Position für eine gewisse Zeit hinter sich lässt und zu einer Gottheit wird, befindet sich in einem trance-ähnlichen Zustand. Die Zuschauer erwarten vom Theyyam-Darsteller, dass er sich vollkommen opfert und Schmerzen erduldet. Bei praktisch allen Aufführungen ist der Darsteller insbesondere durch den schweren Kopfputz, den er über mehrere Stunden tragen muss, körperlich in einem besonderen Maß gefordert. Als Überbleibsel vergangener Stammesrituale verletzt er sich in einigen Theyyams selbst und fügt sich blutende Kopfwunden bei, führt ein Messer in seinen Mund, taucht die Hände in siedendes Öl oder wird mit brennenden Fackeln drangsaliert. In den Theyyams Pottan, Ottakkolam und Kandanar Kelan geht er barfuß durch ein Feuer.
Kategorie: Menschen
Rubrik: Hochzeit und andere Feste
Hochgeladen: 10.02.2018
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Keywords: Theyyam, Feste, Indien,
Kerala, Feuer, Gottheit


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Kommentare zum Bild

Francois
10.02.2018

Ein heißes Foto im wahrsten Sinn des Wortes! In dem lodernden Inferno erkenne ich den Hauptakteur in Aktion. Das Foto besticht durch exzellente Ausleuchtung und Schärfe! Vielen Dank für informative Beschreibung.
LG Franz

Fritze
10.02.2018

Wahnsinn, was sich Menschen selber antun können ...
Franz hat die hohe Qualität Deiner fotografischen Arbeit bereits gewärtschätzt. Dem schließe ich mich gerne an.
LG Ernst

Gelöschter Benutzer
10.02.2018

Da wir mir ja ganz anders, wenn ich das lese. Danke für deine Beschreibung und das eindrucksvolle Foto. Eine andere Welt, die ich nicht verstehen werde. Dies zu wollen wäre eine Anmaßung. Es ist eben anders.
LG Rolf

Inga-Lisa
10.02.2018

unglaublich,wohin ein glaube führen kann,danke für deine erzählung..
das bild ist mehr als gelungen,kompliment !
lg inga

u.rie
11.02.2018

Da wird einem schon beim anschauen heiß da weiß man was du aushalten musstest um uns dieses außergewöhnliche Foto aus einer andern Welt zu zeigen ...
Danke auch für die ausführliche Information...

Gruß Udo

Cadid
11.02.2018

Das ist ja unglaublich, wenn man das liest. Dass es solche Rituale noch gibt, erstaunt mich auch.
Dein Bild ist ein Volltreffer. Tolle Leistung- auch von Dir. LG Irene

stef
11.02.2018

wow was für eine Aufnahme.lg.guido

EsKa67
11.02.2018

Grandioses Foto, Harald! Die ausführliche Beschreibung macht es für unsere "westlichen" Köpfe wohl trotzdem nicht wirklich fassbar, was da passiert. Niedrigkastig finde ich allerdings eine unglücklich gewählte Beschreibung. Offiziell ist das Kastensystem in Indien längst abgeschafft, auch wenn das mit der Umsetzung bekanntlich nicht so einfach ist. Die betreffenden Bevölkerungsgruppen haben genug damit zu tun, sich zu aus diesem alten Joch zu befreien. Da hilft es wohl wenig, wenn weiter solche Begriffe benutzt werden, auch wenn sie gar nicht bewußt abwertent gemeint sind. LG, Sabine

Alberto
11.02.2018

Wenn ich deinen Bericht so lese läuft mir ein Schauer über den Rücken. Für uns Mitteleuropäer ist das Unvorstellbar und eigentlich auch Unfassbar. Ich finde es trotzdem spannend, daß Du uns immer mit nimmst und uns teilhaben läßt an deinen Reisen in fremde Kulturen.

VG herbert

Wolfgang Bernauer
12.02.2018

Das ist wirklich eine sehr gelungene Aufnahme. Glückwunsch! Ich kann ein Lied davon singen, wie schwierig es ist, an Festanlässen zu solch exzellenten Bildern zu kommen...Für meine Marienstatue https://www.fotoforum.de/community/foto/230846-settimana-santa-prozessio...?
typ=profil
etwa benötigte ich 4 Anläufe bzw. 4 Jahre...Und erst die moderne Technik (ISO-Automatik, Autofokus...) machte die Aufnahme möglich...Toll, dass Dir hier das Glück beistand! Der Betrachter scheint tatsächlich einer Feuergeburt beizuwohnen: sehr gute Bildaufteilung und schöner Hell-/Dunkelverlauf. - LG Wolfgang

ennasus
16.02.2018

Das will ich glauben, das es dir heiß war, das Foto ist dir besonders gut gelungen. Deine Information dazu ist sehr beeindruckend, eine andere Welt, in die du da eintauchst.
LG Susanne

Wufgaeng
20.02.2018

Dieses Foto verdient einen besonderen Applaus und die Bilderklärung dazu - hervorragend! Wer in ähnlichen Situationen versucht, so eine Szene bildlich zu dokumentieren, weiß über den enormen Einsatz und Aufwand des Fotografen, wie solch ein Meisterwerk entstehen kann. Ein Bild, das einem lange in Gedanken bleibt. Liebe Grüße aus Bangkok Wolfgang

MacMirko
11.03.2018

Fantastisch, Harald!
VG aus HH

Sabine O.
12.03.2018

Hammeraufnahme!!
lg Sabine