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Hochzeitsfotografie:
Vorarbeit & Technik

16. Juni 2015 - Christian Beck
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Wer hat das nicht schon erlebt: Kaum kann man eine halbwegs vernünftige Kamera sein Eigen nennen, kommen Freunde, Nachbarn und Bekannte und fragen: „Könntest du vielleicht ein paar Fotos bei uns auf der Hochzeit schießen? Muss auch nichts Besonderes sein, einfach nur ein paar nette Bilder …“ So beginnt die Misere und ­jeder halbwegs verantwortungsbewusste Fotograf sollte bereits beim Wort „Hochzeit“ klipp und klar Nein sagen. Alle anderen sollten wissen, dass sie sich auf dünnes Eis begeben und „mal eben ein paar Bilder machen“ eine anspruchsvolle Aufgabe sein kann. Ich war damals im Jahre 1995 ganze 16 Jahre alt, konnte gerade Blende und Zeit auseinanderhalten und fotografierte mit einer analogen Minolta Dynax 505 vier ganze Filme auf „meiner“ ersten Hochzeit. Das Ende vom Lied: zwei der vier Filme kamen ohne Bilder aus dem Labor. Das war natürlich mehr als ein kleiner Weltuntergang.

Heute betreibe ich mit einem Freund die Hochzeitsfotografie professionell und seitdem ist auch nie wieder ein vergleichbares Malheur passiert. Damit Ihr von unseren Erfahrungen profitiert, haben wir die wichtigsten Punkte zusammengetragen:
Damit sich das Brautpaar nicht nur auf die Handy-Fotos von Freunden freuen kann, leisten sich bei einer Hochzeit viele Menschen das erst mal im Leben einen Fotografen. Eine gute Entscheidung. Denn die Hochzeitsfotografie ist kein einfaches Feld.

Die erste Anfrage
Ist sie da, die erste Anfrage, und hat man mutig Ja gesagt, sollte man bereits vor der Hochzeit mit der Arbeit beginnen. Unerlässlich ist ein ausführliches und persönliches Vorgespräch mit dem Brautpaar. Es sollte zwei bis drei Monate vor der Hochzeit statt­finden. Dann hat das Paar in der Regel die meisten Informationen parat und kann Auskunft darüber geben, wie und wo die Vorbereitungen stattfinden, wann die Trauung beginnt, wo gefeiert und wann die Torte angeschnitten wird. Dazu kommen noch zahlreiche weitere Fragen, die man klären sollte: Ist die Kirche eher dunkel oder hell? Gibt es ein besonderes ­Vehikel und fahre ich zum Fotografieren mit? Und ganz wichtig: Welche Fotos sind gewünscht? Wo in der näheren Umgebung kann man tolle Fotos machen? Wie sieht bei Regen Plan B aus? Gut und gerne kann das Gespräch ein bis zwei Stunden dauern. Dem Brautpaar ist es auch oft wichtig, dass beispielsweise die Großmutter und der Großvater fotografiert werden. Interessant sind auch die Familienverhältnisse. Es kommt nicht selten vor, dass man als Fotograf darauf achten muss, dass bestimmte Personen eher nicht gemeinsam auf ein Bild sollten. Mir passierte es schon einmal, dass ich beim Familienfoto drei "Väter" neben der Braut stehen hatte … Alle diese Infos muss man haben und sollte sie unbedingt im Vorfeld klären.
Natürlich müssen aber auch die finanziellen Angelegenheiten geklärt werden, sofern die Fotos kein freundschaftlicher Dienst sein sollen: Wie hoch sind der Zeitaufwand und das ­Honorar? Wann bekomme ich das Geld? Wie wird die Bezahlung aufgeteilt? Wir arbeiten schon lange mit einem Vertrag, in dem alle finanziellen und rechtlichen Parameter ab­geklärt sind. Beispielsweise wird darin geregelt, wie es sich mit den Rechten an den Bildern verhält, wer sie wie nutzen darf, aber auch was passiert, wenn der Fotograf ausfällt. Somit bietet der Vertrag Sicherheit für alle Parteien.
 
Das Equipment
Man braucht nicht viel Ausrüs­tung, manchmal sogar erstaunlich wenig, aber was man benutzt, sollte man blind bedienen können. Auch sollte man Macken, Tücken und Grenzen der Technik kennen. Eine DSLR oder eine gehobene Systemkamera allerdings sollte es in jedem Fall sein. Sie müssen nicht professionell sein. Auch mit einer beispielsweise kleinen DSLR der Einstiegsklasse kann man tolle Bilder produzieren. Allerdings sollte man bedenken, dass die Leistung der Kamera in bestimmten Situationen durchaus eine Rolle spielen kann und einen Re­genschauer sollte sie auch oh­ne Probleme überstehen können.
Eine exemplarische Einstiegsausrüstung: Vollformat-DSLR, 2,8/14-24, 2,8/24-70, 2,8/70-200, Ersatz-Akku und Blitz. Damit lassen sich sicherlich schon die meisten schönen Bilder realisieren.

Gerade bei Hochzeiten spricht alles für DSLRs oder Systemkameras mit KB-Vollformatsensoren, da sie in der Regel weniger rauschen und bei offener Blende ein schöneres Spiel mit der Unschärfe zulassen.
Besonderes Augenmerk sollte man auf die Objektive legen: Will man in die Hochzeits­fotografie einsteigen und hohe Ansprüche erfüllen, führt kaum ein Weg an den professionellen Objektiven der jeweiligen Hersteller vorbei. ­Einen Brennweitenbereich von 14 bis 200 mm sollte man ­abdecken können und Lichtstärke ist eine wichtige Voraussetzung. Beispielsweise wäre ein Nikon-Fotograf mit einem 2,8/14-24 mm, dem 2,8/24-70 mm und einem 2,8/70-200 mm für den Anfang gut ausgestattet. Zooms ersparen einem so machen Spurt und in hektischen Situationen sind sie sehr hilfreich.
Noch schöner kann man allerdings arbeiten, wenn man diese Zooms noch um entsprechenden Festbrennweiten ergänzt. Sie ­haben klar die bessere Leistung, sind lichtstärker und bescheren besonders den Bildern ein wunderschönes Bokeh. Exemplarisch für Canon Fotografen kann man hier das 1,4/24 mm, das 1,4/35 mm, das 1,4/50 mm und das 1,2/85 mm nennen. Wer das Arbeiten mit Festbrennweiten nicht gewohnt ist, sollte mit einem 50-mm-Objektiv einsteigen. In der Regel sind sie günstig und trotzdem recht ordentlich. Spezialobjektive wie ein Makro oder Fisheye sind nicht unbedingt erforderlich, können allerdings ebenfalls wunderbare ­Bilder produzieren.
So sähe eine exemplarische, fortgeschrittene Hochzeits-Foto-Ausrüstung aus: 2x Vollformat-DSLR, 2,8/14-24, 2,8/24-70, 2,8/70-200, 1,4/35, 1,4/50, 1,4/85, 2,8/105 Macro, 2 Blitze, TTL-Funkauslöser, Kamera-Funkauslöser, Ersatzakkus, Manfrotto-SuperClamp und Novoflex MicoPod (für die Blitze), Ersatz-Akkus und eine Polaroid (damit erobert man im Sturm die Herzen der Bräute ;)

Eine Hochzeit ist ein herausforderndes Terrain für die Ausrüs­tung und die Objektive müssen einen Wurf in die Fototasche schon mal heile überstehen können. Von schützenden, aber zeitraubenden Front- und Rückdeckeln sollte man sich so oder so bereits anfangs verabschieden. Den Objektivwechsel muss man blind, im Laufen, mit vollen Händen, bei Regen, im staubigen Kornfeld, geräuschlos und ziel­sicher beherrschen. 
 
Im Idealfall sollte man noch eine Ersatzkamera in der Tasche oder mindestens im Kofferraum haben, um einen möglichen Ausfall der Hauptkamera zu überbrücken. Packt man zudem einen oder zwei Aufsteckblitze dazu, ist man bestens ausgestattet. 
Die Akkus müssen für bis zu 3.000 Bilder ausreichen. Das kann gerade bei Systemkameras zu einem Problem werden. Für unsere DSLRs haben wir auf Hochzeiten immer mindestens drei Ersatzakkus dabei.

Für den Transport bieten sich grundsätzlich Taschen an. Sie sind schneller zu bedienen als Rucksäcke, die immer erst auf den Rücken und wieder runter gehieft werden müssen. Bei mir ist es allerdings mittlerweile so, dass meine Ausrüstung weder in eine Tasche noch in einen Rucksack passt. Deshalb nutze ich beides: Den Rucksack für die Kamera und die Objektive, die ich während des Tages benötige, die Tasche für Blitze samt Befestigungsequipment und Funk- sowie Fernauslöser für die Hochzeitsparty abends.
Stative - ein Einbein und ein Dreibein - habe ich zudem immer im Kofferraum. Gerade das Dreibein benötige ich aber nur selten.

Mit dem Einbein kann man lustige Sachen machen, wenn die Zeit es zulässt. Natürlich darf der Fotograf dann auch einmal mit drauf …

Auch die Kleidung gehört bei einer Hochzeit im weitesten Sinne zur Ausrüs­tung und selbstverständlich ­kleiden wir uns entsprechend. Weißes Hemd und dunkles Jackett sind Mindestanforderung, Krawatte und Anzughose müssen nicht zwingend sein. Wichtig sind bequeme Schuhe, sonst kann ein 10- bis 12-Stunden-Tag auf den Füßen schnell zu einer Tortur werden. Kleiner Tipp: Die Schuhe sollten keine Holzsohle haben. Damit kann man sich in der Kirche oder im Standesamt nur schwer lautlos bewegen. Bestenfalls trägt man leichte, schwarze Joggingschuhe. 

Am RAW-Format führt partout kein Weg vorbei. Zu eingeschränkt sind die Möglichkeiten bei der JPEG-Nachbearbeitung. Demnach sollte man ausreichend Speicherplatz auf einer oder ­mehreren schnellen Speicherkarten zur Verfügung haben: Wenn wir zur Höchstform auflaufen, kann es gut sein, dass wir mit 30 bis 80 GB Daten nach Hause kommen.
Die muss man erst einmal auf den Rechner schaufeln und ohne Firewire- oder USB3-Cardreader könnte das Stunden dauern. 
Den größten Monsterteil der Arbeit erledige ich in Lightroom. Nur für besondere Bearbeitungstechniken öffne ich noch Bilder in Photoshop.

Bevor es an die Bildbearbeitung geht, geht es an die Selektion. Dafür müssen die Bilder alle gesichtet werden. Das kann bei beispielsweise 3.000 Bilder schon den einen oder anderen Abend füllen. Ich klicke mich dazu klassisch durch den entsprechenden Lightroom-Ordner, mein Kollege hingegen benutzt ein Gamepad und eine Spezialsoftware dafür. Etwa 40 Prozent der Bilder überleben diese Selektion und müssen dann noch bearbeitet werden. Wobei nicht ganz: Ich entwickle meine Bilder bereits beim Import in Lightroom. Damit kann ich sicherstellen, dass die Bilder grundsätzlich schon einmal an meine Wüsche angepasst wurden. Im Folgenden müssen sie dann noch ausgerichtet, beschnitten und individuell angepasst werden. Besondere Exemplare werden auch noch in SW umgewandelt oder umfangreicher in Photoshop bearbeitet. Rund 99 Prozent der Arbeit erledige ich allerdings mit Lightroom. Im Großen und Ganzen kommen so noch einmal rund 6 bis 8 Stunden Arbeit zusammen. Zeit, die man natürlich in seiner Preiskalkulation einplanen muss.

Ende Teil 1

Im kommenden Teil geht´s ans Eingemachte und wir erklären, wie man bezaubernde Porträts und lustige Gruppenfotos macht. 
Administrator
Hi Jochen,

vielen Dank für Deinen Kommentar.
Zu meiner Import-Bearbeitung:
Ich kenne meine Kameras und kenne meine Sehgewohnheit. Also weiß ich, dass ich hier und da mehr Kontrast benötige, die Sättigung ruhig jenen Wert haben könnte und die Klarheit auch nicht unwichtig ist. All diese Parameter passe ich schon beim Import an und bringe die Bilder so in die "richtige Richtung".
Natürlich sind danach nicht alle Bilder fertig und auch ich fasse dann noch jedes Bild einzeln an. Irgendwann hat man dabei den Dreh so raus, dass man das ziemlich schnell kann.
Nicht zu unterschätzen ist natürlich die Rechenpower Deines PCs/Macs. Ist er zu lahm, wirst auch du unweigerlich auch langsam und die Lust vergeht ganz schnell.
Mein Tipp: Mit guter Musik arbeitet es sich doppelt so schnell. Ich höre oft Klavierkonzerte, Keith Jarrett, Coldplay, Johnny Cash oder Pearl Jam dabei.
Mit Metallica oder Motörhead klappt es bei mir nicht so gut ;)
Hallo, auch ich habe für Freunde auf der Hochzeit fotografiert, allerdings ohne Kirche. Wir sind heute immer noch befreundet, wobei sie glücklich waren, dass alle Gäste auf den Bildern waren, dass es viele Bilder gab und die auch noch scharf und korrekt belichtet waren ;-)
Die Nachbearbeitung hat bei mir mindestens so lange wie die Hochzeit selbst gedauert. Wobei ich (generell) wie folgt mit Lightroom vorgehe:
1. alle Bilder einlesen, ohne spezielle Entwicklung, aber mit Konvertierung zu DNG
2. Unscharfe und danebengegangene Bilder löschen, gute Bilder mit Sternchen versehen (übrig bleiben zwischen 25 und 50%)
3. Sternchen-Bilder nachbearbeiten, dabei gehe ich im Raw Konverter die Regler für Belichtung von oben nach unten durch und nutze bei Serien die Synchronisierung
4. in einem zweiten Durchgang werden die Sternchen-Bilder geschärft
5. diese Bilder werden dann in den Ordner jpg_final exportiert
6. mit den Farben kennzeichne ich abschließend besonders gute Bilder, sw Kandidaten, HDR oder Panorama Serien
Wie gesagt, das gilt für alle meine Bildserien, allerdings bleibt damit der Aufwand in überschaubaren Grenzen. Und die Arbeit geht ja dann noch weiter: Bücher, AV, .... Aber dazu sagt Christian bestimmt auch noch was, denn das Paar will wahrscheinlich nicht nur eine CD in die Hand gedrückt bekommen :-))
Hallo Christian,
vielen Dank für die Tipps zu diesem Thema! Ich konnte mir so manches rausziehen für meine "Hochzeitscheckliste".

Ein paar Fragen noch zum Import/Bearbeitung in LR:
- Legst du für jede Hochzeit einen eigenen Katalog an?
- Erstellst du beim Import auch Smartvorschauen?
- Wo speicherst du die RAW-Dateien?

Ich komme mit meinem Mac an die Leistungsgrenze... das nervt natürlich bei der Bearbeitung! Was wäre dein Tipp, um den Mac leistungsfähig zu halten oder zu machen?

Vielen Dank schon mal für hilfreiche Infos :)
LG Sabine
ich kenne das auch und ich muss sagen, in der Familie mach ich es sehr gern. Und naja bei Freunden hängt es ein wenig davon ab, welche. Sehr enge Freunde, die ich seit Kindheit kenne, klar mach ich das sehr gern. Entfernte Freunde bekommen ein liebes Angebot von mir :)
Danke für die ausführliche und wirklich sehr gute Info zur Hochzeitsfotografie. Hier merkt man die Erfahrung.
Ich stimme dem voll und ganz zu.

Noch ein kleiner Tipp von mir.
Chipkarten vor der Hochzeit nochmal überprüfen ob sie auch leer sind wohingegen die Akkus voll sein dürfen ;)